Big Fish, small Fish: die Pescheria – erste Restaurantkritik im neuen Jahr

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In der Fraunhoferstraße 13 hat ein neues Restaurant eröffnet: die Pescheria verspricht “frischeste” Fische, welche wir mögen. Weshalb der beste Gatte und ich das Lokal persönlich in Augenschein nahmen und die Küche einem ersten Test unterzogen.

Das ehemalige Kleinschmidtz hat eine Komplettüberholung bekommen und glänzt nun als Fischlokal mit schicker Beleuchtung, viel Holz und portugiesisch gefliessten Wänden sowie einer riesigen Glasvitrine, in welcher die frischesten Fische ausgestellt werden. Der uns befreundete Venezianer erklärt zwar “I don’t trust the fish paraded in the window“, aber wir wollen mal nicht so sein. Die Vitrine ist schick, die darin liegenden Fische sahen gut aus. Das Aussuchen derselbigen funktioniert allerdings interessant: Die Bedienung greift sich ein Exemplar mit einem dafür übergestreiften Gummihandschuh und bringt es zwecks Präsentation zum jeweiligen Gast an den Tisch. Gefällt der Fisch, kommt er anschließend sofort in die Küche. Gefällt er nicht .. nun dann wird er wieder in die Vitrine gelegt. Wir beobachteten die Prozedur von der Pole-Position am Tisch im Bar-Bereich und hoffen inständig, dass alle herumgereichten Exemplare sofort Gefallen finden…

Wir lieben frische Fische.
Ja, wir lieben frische Fische…

Das Personal ist ausnehmend freundlich, allerdings etwas, sagen wir mal, burschikos. Wir wurden herzlichst mit DU begrüßt, was angesichts der Preise (nicht niedrig) und der damit verbundenen Zielgruppe (vermutlich nicht blutjung) und (in unserem Fall) überhaupt und grundsätzlich nicht stimmig war. Das DU-Konzept hat die fröhliche Truppe trotz unseres Zurück-Siezens dann aber stringent durchgehalten, was uns einen gewissen Respekt abnötigte. Überhaupt sind die Jungs und Mädels mit einem kraftvollen Jargon gesegnet, der auch in den einem oder anderen Szene-Club nicht fehl am Platze wäre: “Noch nen Wein? Aber logo, kein Thema, kommt!” Brilliant: Nach dem das Team einen teuren Tunfisch an den Mann (bzw. einen Tisch im hinteren Teil des Lokals) verkauft hatte, klatschten die beteiligten Fisch-Verticker sich begeistert die Hände ab und beglückwünschten sich gegenseitig dazu, das Tier losgeworden zu sein. Befremdlich? Ein wenig. Weswegen der Gatte nachfragte, was es denn mit diesem Freudenausbruch auf sich hätte und ob mit dem Fisch alles in Ordnung sei. (Wer den Gatten kennt, kennt seinen ironischen Unterton.) Das Pescheria-Team gab aber treuherzig Auskunft, dass es doch nicht so oft vorkäme, dass man einen ganzen teurigen Wasserbewohner losbrächte, was aber viel schöner wäre, als das gute Tier in Einzelteilen zu verkaufen. Stimmt. Und auch praktisch, denn ein halber oder gar Viertel-Tuna macht in der Vitrine keinen Eindruck. Wir belohnen die ehrliche Auskunft mit einem Extrapunkt. Beim Verkauf von Wein war die Bedienung allerdings nicht ganz so enthusiatisch – unsere Gläser blieben länger leer und wurden erst auf direkte Anfrage wieder gefüllt.

Das Essen. Im Grunde ja das Wichtigste, wenn man essen geht. Und genau hier hat die Pescheria noch ein bisschen Arbeit vor sich. Der Tintenfisch des Ehemannes auf schwarzen Linsen überzeugte nicht. Die eingelegten und gegrillten Tentakel waren gummiartig, die Linsen – immerhin bissfest – kamen ohne jede Würze aus dem Wasserbad. Das kennen wir anders. Eine kleine Vorspeise, Landbrot mit Rouille, gegrilltem Gemüse und einigen Oliven, kostete zwar minimales Geld, war aber ebenfalls würztechnisch schwach auf der Brust. Das Landbrot war frisch, aber ein Baguette. Wir bestellten aus Interesse noch eine Portion Aioli dazu,  die uns die muntere Bedienung gerne brachte. An dieser Aioli war der Knoblauch im Abstand von mehreren Metern vorbeigeschwenkt worden, sprich: es war so gut wie gar keiner enthalten und Salz fehlte auch. Auf unsere Nachfrage, warum dies so sei, erklärte die junge Dame, dass viele Gäste keinen Knoblauch mögen… Warum, nur warum bestellen diese Leute dann eine Knoblauch-Sauce? ;-) Als Hauptgang wählte der Gatte eine ganze Dorade (ja, aus der Vitrine herausgeholt, am Tisch gezeigt und vom Manne sicherheitshalber sofort für gut befunden). Diese Dorade kam anständig – so wie sie sein soll – auf den Tisch: gegrillt, ein wenig Olivenöl, frisch, fein, gut und in Begleitung einer ordentlichen Portion gegrillter Kartoffeln und Gemüse. Dazu reichte man dem Gatten ein Töpfchen groben Meersalzes, prima Sache, aber ohne Löffelchen. Vermuten wir alleine, dass sich hier jeder mit den Fingern bedient? Der Gatte verzichtete. Ich hatte mir die Linguine Scoglie ausgesucht – kein großes Gericht in mediterranen Gefilden, einfach eine gute Pasta mit Meeresgetier. Selbige enthielt reichlich Scampis & Co., fühlte sich jedoch mikrowellen-heiss an und schmeckte extrem nach Paprika und zuviel Salz. Ach, und ein Schälchen für Fischgräten und leere Muscheln hat man uns erst auf Nachfrage gegeben. Weil wir nicht gleich beim ersten Besuch herumzicken, aßen wir auf, was ging und gaben unser Feedback auf Nachfrage, ob es denn geschmeckt hätte. Die mittlere Versalzung hab ich dann schon erwähnt, was unser Service – wir konnten es hören – bereitwillig an die Küche kommunizierte. Kann ja passieren, aber was dann folgte, war doch erheiternd: Der Koch kam persönlich an den Tisch und entschuldigte sich: er sei sehr erkältet gewesen und immer noch nicht ganz gesund, so wäre das wohl mit dem Salz passiert.  Als  Inhaber  des Ladens hätten wir ob dieser Auskunft bitterlich geweint, das schwören wir. Unser Eindruck: Wer hier arbeitet, ist mit großem Engagement bei der Sache aber mitnichten Profi. Merkt vielleicht nicht jeder, aber Gastro-Kritiker schon. Da hilft auch kein Facebook-Geliebhabe. Wenn der Mann/die Frau von der SZ kömmt, ist Schluss mit lustig.

Die Dorade war so gut wie dieser Branzino im Italienischen.
Die Dorade war so gut wie dieser Branzino im Italienischen.

Wir bekamen als offizielle Entschuldigung eine Portion Crema Catalana aufs Haus. Das freut den Gast, der die Geschichte mit der Erkältung allerdings lieber nicht gewusst hätte.

Der Wein: kein Ruhmeskapitel, aber trinkbar. An der Weinkarte würden wir dringend noch arbeiten, weil gute Fische gute Weine verdienen.

Fazit: Es könnte durchaus etwas werden mit der Pescheria und mit uns. Wenn sich das liebenswerte Personal nicht um Kopf und Kragen reden und doch ein wenig professioneller auftreten würde. Bitte um Himmelswillen nicht steif sein, aber so locker von Hocker geht ein preislich ambitioniertes Restaurant (wir ließen immerhin über 100 Euro da) unserer Ansicht nach nicht lange gut. Die Küche hat auch noch ein gutes Stück Weg vor sich. Im Gärtnerplatzviertel, wo an jeder Ecke eine Billigbude mit mediokren Schnellgerichten hockt, muss sich ein von Haus aus teureres Fisch-Lokal absetzen, um sich als wirklich gute Adresse zu etablieren. Die Pescheria hat sich noch nicht entschieden, ob sie ein hippes Fisch-Lokal für die Jungs und Mädels mit Geschäftsessen und Lust am feinen Schabulieren oder der trendige Ex-und hopp-Schuppen für die hippen Youngster sein will. Wir finden: Ein Restaurant braucht zufrieden zahlende Gäste dringender als gute Freunde. Und wir sind sehr gespannt wie es weitergeht und gucken uns die Pescheria sicher ein zweites Mal an.